Stellten sich vor der Diskussion zum Erinnerungsfoto auf, von links: Detlef Odenkirchen, Franz-Josef Schäfer, Dr. Markus Pieper, Prof. Dr. Dr. Franz Josef Schneider, Mechthild Heil, Reinhard Adams Frank Wershofen, Elmar Lersch und Dr. Sebastian Muschter
Ist Bürokratieabbau in Deutschland überhaupt möglich?
MIT-Kreisverband Ahrweiler veranstaltete Diskussionsrunde
Ist Bürokratieabbau überhaupt möglich? Dieser Frage stellte sich der MIT Kreisverband Ahrweiler in seiner Diskussionsrunde mit Experten aus Politik und Wirtschaft. Zunächst begrüßte der MIT-Kreisvorsitzende Elmar Lersch, auch im Namen des MIT-Bezirksvorsitzenden, Detlef Odenkirchen, die gemeinschaftlich organisierte hochkarätige Veranstaltung. Das Thema lautete: „Bürokratie vermeiden – Bürokratie abbauen“. Lersch rief dazu auf, an den Abbau der Bürokratie nicht so bürokratisch heranzugehen und schlicht wieder „mehr Freiheit zu wagen!“ Dr. Markus Pieper, ehemaliges Mitglied im EU-Parlament und Mitglied des Vorstandes der EVP, erwartet dennoch keinen schnellen Rückbau von EU-Bürokratie, da die „große Welle der gesetzlichen Umsetzung des Green Deals“ erst noch bevorsteht. Es braucht in Brüssel einen unabhängigen Normenkontrollrat, der die Bürokratielast den Politikern vor Augen führt und immer wieder Subsidiarität, also die Verantwortung der nationalen und regionalen Ebene, einfordert, so Pieper, der auch Vorstandsmitglied der Europäischen Mittelstandsvereinigung ist.
„Es darf nicht sein, dass ich mehr Zeit damit verbringen muss zu dokumentieren, als für meine eigentliche unternehmerische Tätigkeit“, führte Frank Wershofen unmissverständlich aus. „Wir strapazieren die Unternehmen inzwischen so sehr, dass viele den Weg in die Selbstständigkeit gar nicht mehr wagen und sich von dieser Dokumentationspflicht abschrecken lassen. Ein Landwirt oder Winzer muss sich um seinen Ertrag kümmern und nicht wertvolle Zeit im Büro verbringen,“ meinte Franz-Josef Schäfer vom Bauern- und Winzerband. Moderator Prof. Franz Josef Schneider stellte indes fest, dass Verwaltung essentiell für die Funktionsfähigkeit des Staates ist und die deutsche Administration durch ein hohes Maß an Sachlichkeit und Kompetenz sowie eine geringe Korruptionsneigung gekennzeichnet ist. Er verwies aber auch auf eine jüngst veröffentlichte Studie des ifo Instituts im Auftrag der IHK München, wonach die überbordende Bürokratie in Deutschland jährlich 146 Mrd. € an Wirtschaftsleistung koste. Lersch warf ein: „Ein Rechtsstaat braucht Bürokratie. Es genügen abstrakte Regeln, die den Verwaltungen ein Ermessen einräumen, zeitnah auch den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht werden zu können.“ Dem stimmten alle Beteiligten grundsätzlich zu. Allerdings sei die Vorschriftenflut über die Jahre aus dem Ruder gelaufen, sodass ein Überdenken der Vorschriften, der Regelwerke und einzelner Gesetze überfällig geworden ist, so Mechthild Heil, MdB. „Warum muss sich z.B. jedes Bundesland eine eigene Landesbauordnung leisten?“ fragte sie kritisch. Dr. Sebastian Muschter, der in seinem beruflichen Leben z.B. als kommissarischer Präsident und Krisenmanager des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales und 11 Jahre bei der Unternehmensberatung bei McKinsey & Company sowohl Verwaltung als auch die Unternehmen kennen gelernt hat, gab zu bedenken, dass die immer größer werdende Bürokratie auch zu einem immer größer werdenden Beratungsbedarf für Unternehmen durch mittelständische Dienstleister geführt habe und für diese zu einem wichtigen Betätigungsfeld und einer wichtigen Einnahmequelle geworden sei. Gleichzeitig erachtete er den Einwand einer Überforderung und einem unnötigen Zeitverlust durch die Bürokratie gerade auch im Handwerk und in der Landwirtschaft, wie er von Reinhard Adams, Obermeister der Baugewerks-Innung Ahrweiler, Franz-Josef Schäfer, Kreisvorsitzender des Bauern- und Winzerverbandes des Kreisverbandes Ahrweiler und Frank Wershofen, Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Ahrweiler, vorgetragen wurde, als gut nachvollziehbar. Dr. Pieper erklärte, dass die Kommissionspräsidentin von der Leyen konkret das Prinzip ‚one-in one-out‘ fordere, d.h. bei jedem neuen Gesetz müsse ein entbehrliches entfallen. Es werde das Kohärenz-Prinzip eingeführt, d.h. Dopplungen in der Gesetz- und Richtliniengebung müssen vermieden und vorhandene aufgefunden und abgestellt werden. „Wir benötigen aber den Rückbau von Bürokratie, weil der zeitliche Aufwand nicht mehr zu leisten und unerträglich ist“, konstatierte Detlef Odenkirchen. Von Lersch wurde eingeworfen, sowohl auf europäischer als auch auf deutscher Ebene müsse bei jedem neuen Gesetz Folgenabschätzung, wie im deutschen Recht schon heute gefordert, auch tatsächlich durchgeführt und nicht nur auf die finanziellen Auswirkungen eines Gesetzes beschränkt werden. Das Fazit der Veranstaltung lautet: Unsere politischen Vertreter auf der europäischen und deutschen Ebene müssen hinsichtlich eines erfolgreichen Bürokratieabbaus aber die erforderlichen parlamentarischen Prozesse wirksam und nachhaltig in Gang setzen, und zwar, mathematisch betrachtet, gemäß dem Grundsatz ‚one in, three out!
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